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Voll vernetzt?

 

Natürliche Lebensräume sichern das Überleben von Tieren und Pflanzen. Durch menschliche Aktivitäten verändern sie sich aber zunehmend und werden häufig in einzelne Fragmente geteilt. Daher gewinnt das Konzept der Lebensraumvernetzung mittels grüner Korridore und Trittsteinbiotope immer mehr an Bedeutung.

Text: Silvia Osterkorn-Lederer, Judith Braunisch

 

Tiere brauchen geeignete Lebensräume. Denn diese bieten Nahrung, Unterschlupf und die notwendigen Bedingungen zur Fortpflanzung und Aufzucht des Nachwuchses. Durch menschliche Nutzung verändert sich die Umwelt fortwährend: Wir bauen Siedlungen und Städte, betreiben Landwirtschaft, bauen Infrastruktur wie Straßen und Bahnstrecken. All das führt dazu, dass Habitate von Tieren verschwinden oder zerschnitten werden. Um genetischen Austausch und Wanderungen zu ermöglichen, braucht es Verbindungen zwischen den isolierten Lebensräumen. 

 
Collage Lebensräume zwischen Mensch und Tier verschwimmen

Ein Bild einer Europäischen Wildkatze gelang in der Wachau mit einer Fotofalle. Amphibien wandern häufig zwischen Teichen, Tümpeln und Landlebensräumen. Wilde, naturbelassene Ecken mit unterschiedlichen Strukturen sind beliebter Lebensraum.

 

Problematik. Für Tiere ist es teilweise schwierig, Fortpflanzungspartner zu finden, Nist- und Laichplätze zu erreichen und neue Lebensräume zu erobern. Ökologisch wertvolle Trittsteinbiotope wie Gehölzgruppen, kleine Wiesenflächen oder Teiche und grüne Korridore wie Heckenstreifen, Feldraine und Flussufer unterstützen die Tiere bei ihren Wanderungen. Auch von Menschen geschaffene Strukturen wie Wildtierüberführungen über Autobahnen oder Bahngleise werden gerne angenommen.


Auf die Tiere lauern viele Gefahren, wenn sie auf Wanderung gehen.

 

Tierische Wanderrouten. Diese Möglichkeiten zur Wanderung sind besonders wichtig für die Artenvielfalt, da sie genetischen Austausch ermöglichen. Seltene Tiere und Pflanzen kommen z. T. nur isoliert vor, sind dann anfälliger für Krankheiten und Störungen und laufen Gefahr auszusterben, wenn die Populationen zu klein werden. Ein langfristiges Überleben gelingt nur mit genetischem Austausch, so können Tier- und Pflanzenpopulationen erhalten und gefördert und ihre Widerstandsfähigkeit erhöht werden. In Österreich nutzen viele Tierarten grüne Korridore für Wanderungen und die Erschließung neuer Lebensräume: Rotwild, das sich vor allem während der Paarungszeit gerne auf Wanderschaft begibt oder auch von Wald zu Wald zieht, wenn es auf Futtersuche ist; der Luchs, verschiedene Fledermausarten und Amphibien sowie Reptilien sind ebenfalls auf diese Korridore angewiesen. Fledermäuse nutzen Hecken und Flussufer als Jagdgebiete und zur Navigation. Amphibien wandern häufig zwischen Teichen, Tümpeln und Landlebensräumen. Die Gefahren dabei sind groß: Die Tiere brauchen geschützte Wanderrouten, damit sie möglichst sicher an ihr Ziel kommen – geschützt z. B. vor Autos, aber auch vor Fressfeinden.

 

Entlang der Thaya. Der Nationalpark Thayatal, der zusammen mit dem angrenzenden Nationalpark Podyjí in Tschechien, einen wertvollen Lebensraum und gleichzeitig einen grünen Korridor darstellt, ermöglicht es einer Vielzahl von Arten, sich geschützt an der Thaya zu bewegen, um Lebensräume in Österreich oder in Tschechien zu erreichen. Die Verbindung der beiden Nationalparks ist ein positives Beispiel für eine grenzüberschreitende Naturschutzmaßnahme, die die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit im Naturschutz verdeutlicht. Hier streift mitunter eine besonders seltene Art durch das Gebiet.

 

Auf leisen Pfoten. Die Europäische Wildkatze galt in Österreich lange als ausgestorben, doch nun kehrt sie zurück. Um ihr Überleben hierzulande sicherzustellen, braucht es gut vernetzte Lebensräume und Korridore. Der Naturschutzbund weist in seiner kürzlich präsentierten Studie zu Wildkatzenkorridoren in Österreich auf die Wichtigkeit der sicheren Wandermöglichkeiten hin, ebenso wie auf Herausforderungen und Ausbreitungshindernisse. Für ihr Buch „Europas kleine Tiger“ beschäftigte sich Natur-Expertin Christine Sonvilla intensiv mit Vorkommen, Lebensweise und Lebensraum der Europäischen Wildkatze. Umwelt & Energie hat ihr einige Fragen gestellt:

 

Umwelt & Energie: Frau Sonvilla, danke, dass Sie sich die Zeit nehmen. Ich würde Sie gerne zu Beginn fragen, wo denn die Europäische Wildkatze generell vorkommt – und dann natürlich: wo in Österreich?

Christine Sonvilla: Prinzipiell eigentlich quer durch Europa, von den schottischen Inseln bis zum Schwarzen Meer, auf der Iberischen Halbinsel, in Spanien und Portugal. In Deutschland gibt es noch recht viele Exemplare, da spricht man von vielen Tausenden Tieren, in Österreich ist sie aber noch extrem selten. Aber seit den 2000er Jahren gibt es vermehrt Nachweise – vor allem im Thayatal. Dort gelang 2007 eine Sensation, ein eindeutiger Nachweis. Österreichweit zählt Niederösterreich neben Kärnten zu den Wildkatzenhotspots. 2013 fand man eine tote Wildkatze in der Wachau und begann auch dort mit der Forschung und der Suche nach Spuren – 2020 gab es dann erstmals effektive Nachweise, dass es dort Wildkatzen gibt und es sich auch um eine reproduzierende Population handelt. In Planung befindet sich auch ein Projekt von WWF und Naturschutzbund, um herauszufinden, ob die Wildkatze im WWF Reservat in Marchegg vorkommt.

 

Die Europäische Wildkatze (Felis silvestris) kehrt wieder nach Österreich zurück.

 

U & E: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Wildkatze in Bezug auf ihren Lebensraum?

CS: Der Nachweis der Wildkatze in NÖ ist bemerkenswert und auch die Eignung als Lebensraum für das Tier. Für die Wildkatze, aber auch viele andere Wildtiere ist das A und O, dass es Möglichkeiten gibt, von einem gut geeigneten Lebensraum zu einem anderen zu wechseln. Das liegt einfach in der Natur der Sache, vor allem, sobald sich die Tiere vermehren und die Population wächst. Viele Tiere haben einen natürlichen Wandertrieb, und benötigen eigene Reviere und Streifgebiete. Nur so gelingt der genetische Austausch zwischen den Populationen, die genetische Vielfalt wird gefördert und damit Anpassungsfähigkeit und Überleben der Art gesichert. Für die Wildkatze reicht es beim Umherstreifen gute Deckung zu haben, sie ist eher klein – braucht zum „sicheren Wandern“ hüfthohes Gras, Gebüsch oder Hecken – diese Landschaftselemente sollten zwischen bewirtschafteten Flächen vorhanden sein. Auch bewachsene Uferstreifen werden gerne genutzt. In Deutschland wurden in der Vergangenheit sogar landwirtschaftliche Flächen außer Nutzung gestellt und Streifen mit Gebüsch und Bäumen bepflanzt, um diese Korridore bewusst anzulegen. Ich habe so einen Modell-Korridor in Thüringen besucht, ich konnte Füchse, seltene Schmetterlingsarten, Vögel wie Neuntöter und Braunkehlchen beobachten – und vielleicht war dort auch irgendwo eine Wildkatze. Es hat definitiv funktioniert – es wurden nicht nur Lebensräume vernetzt, sondern sogar geschaffen.

 

U & E: Sie schreiben in Ihrem Buch von CSI-Methoden bei der Wildkatzenforschung. Warum sind diese notwendig?

CS: Ja stimmt, es ist nämlich gar nicht so einfach eine Wildkatze eindeutig nachzuweisen. Dazu braucht man genetisches Material und um das zu bekommen, nutzt man die Vorliebe der Wildkatze für Baldrian. Es werden sägeraue Holzpflöcke aufgestellt und der Sexuallockstoff Baldrian darauf aufgetragen, das motiviert die Wildkatze (und auch andere Tiere, wie Rehe, Hirsche, Füchse, Dachse, Marder oder Wildschweine), sich daran zu reiben. Die Haare werden anschließend von einer Expertin untersucht, wenn Katzenhaare dabei sind, werden diese ins Labor geschickt. Dort wird mit klassischen Methoden der Genetik analysiert und anhand des DNA-Materials dann herausgefunden, ob es sich um Haare der Europäischen Wildkatze handelt.

 

U & E: Kann ich als Laie eigentlich herausfinden, ob ich gerade eine Wild- oder eine Hauskatze beobachte?

CS: In aller Kürze: Ja, es gibt einige Dinge, auf die man schauen sollte, um einen Unterschied zu erkennen. Ehrlich gesagt muss man dabei aber wirklich schnell sein. Der Schwanz ist wohl das hilfreichste Kriterium – er ist bei Hauskatzen recht schmal und dünn und hat an der Spitze 2 – 3 schwarze Ringe, die immer miteinander verbunden sind. Die Europäische Wildkatze dagegen hat einen sehr buschigen Schwanz mit einem ebenso buschigen, dicken Ende, die schwarzen Ringe sind nicht miteinander verbunden. Die Wildkatze ist generell ein bisschen plumper und die Farbtöne sind meist etwas wärmer als bei der Hauskatze. Und an den Flanken wirkt die „Tigermusterung“ bei der Wildkatze eher verwaschen.

 

U & E: Kann ich als Privatperson auch etwas für die Wildkatze tun?

CS: Ja. Eine Möglichkeit einen Beitrag zu leisten wäre, darauf zu achten, dass sich Hauskatzen nicht mit Wildkatzen paaren können (Fehlpaarung). Also Hauskatzen kastrieren oder sterilisieren lassen, was eigentlich mittlerweile seit 2005 ohnehin verpflichtend ist. Die Plattform Wildkatze kann ich ebenfalls empfehlen, dort kann man mögliche Sichtungen melden oder auch freiwillig mitarbeiten. Bei Interesse am besten direkt anfragen, welche Mitarbeitsmöglichkeiten es gibt.

 

U & E: Vielen Dank für das informative Gespräch.

 

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Buchtipp: 

Europas kleine Tiger – Das geheime Leben der Wildkatzen, Christine Sonvilla, Residenz Verlag, 2021, ISBN: 978-3-7017-3523-5

 
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Gärten und Grünräume – Trittsteine im Biotopverbund

Gärten vernetzen Lebensräume und sind wichtige Bestandteile eines Biotopverbundsystems. Mit einfachen Maßnahmen wird der Garten zum Refugium für viele Arten. Je naturnäher, desto besser für die Artenvielfalt! 

  • Strukturen wie Steinhaufen, Mauern, Altholz, höhlenreiche Bäume, Hecken, Laubhaufen, Wildstauden u. a. machen den Garten zum wertvollen Lebensraum.
  • An Wiesenblumen, Gräsern und Saumpflanzen laben sich Insekten. Mähen Sie seltener und abschnittsweise.
  • Feuchtbiotope, Versickerungsflächen und Vogeltränken sind wichtig für Tiere auf Wanderschaft.
  • Vermeiden Sie Versiegelung. Pflaster mit begrünten Ritzen und Schotterrasen sind für Kleintiere leichter zu überqueren als Asphalt oder Beton.
  • Auf offenen Erdflächen nisten Wildbienen, Vögel treiben Gefiederpflege.
  • Pflanzen Sie Gehölze als Versteck, Nistplatz und Nahrungsquelle.
  • Machen Sie Ihren Zaun durchlässig für wandernde Arten wie den Igel, und entschärfen Sie Hindernisse wie spiegelnde Fensterscheiben (z. B. durch Markierungsstreifen), Schächte und Gullys (durch Ausstiegshilfen).
  • Reduzieren Sie die Außenbeleuchtung, denn gerade nachts wandern viele Arten, die dadurch irritiert werden können.


 
 

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