Robust, anspruchslos und schnellwüchsig haben sich Weiden als Pionierpflanzen auf Extremstandorten spezialisiert. Sie sind aber auch attraktive Gartengehölze, wichtige Bienenpflanzen und liefern Material für das Flechthandwerk. In der Naturheilkunde wird aus der Weidenrinde ein natürliches Schmerzmittel gewonnen.
Weiden sind imposante Erscheinungen und nicht nur Botanikerinnen und Botaniker, sondern auch Kunstschaffende interessieren sich seit jeher für die vielseitigen Bäume. Geradezu besessen malte etwa Vincent van Gogh in seinen letzten Lebensjahren in Arles Kopfweiden im Sonnenuntergang und auch Claude Monet hatten es neben den Seerosen auch die Weiden angetan. Sein Garten in Giverny mit dem Seerosenteich, der japanischen Brücke und den Trauerweiden war ein Motiv zahlreicher Gemälde. Die Weidengewächse, die auch die Pappeln miteinschließen, gehören zu den ältesten Blütenpflanzen der Erde. Heute sind an die 500 Arten bekannt, 50 davon kommen in Mitteleuropa vor, etwa Silberweiden, Salweiden, Bruchweiden, Purpurweiden, Dotterweiden und Trauerweiden.
Vielgestaltig. Weiden sind wichtige Pflanzen unserer Natur- und Kulturlandschaften. Als Pioniergehölze besiedeln sie Extremstandorte – vom Auwald bis zur Alpinregion. In der Landschaftsgestaltung werden die robusten Gehölze an Gewässern ebenso eingesetzt wie zur Hangbefestigung. Mit ihren breiten, flachen Wurzeln stabilisieren sie das Erdreich und wirken Erosionen entgegen. Eine Silberweide kann täglich bis zu 1.800 Liter Wasser aufnehmen und zählt zu den schnellwüchsigsten Bäumen. Die meisten Weidenarten bevorzugen eher feuchte, aber dabei sonnige Standorte. Einige Weidenarten zeigen leuchtende Jungtriebe, die Knackweide z. B. in Orange, die Purpurweide in Rotbraun und die Dotterweide in Gelb. Das typische Weidenblatt hat die Konturen eines Ruderbootes: lang, schmal und an den Enden zugespitzt. Doch gibt es auch Weiden mit völlig anderen Blättern, etwa die Korkenzieherweide, eine Züchtung, bei der Blätter und Zweige gedreht sind.
Bienennahrung. Im christlichen Brauchtum ersetzen Weidenzweige die Palmenblätter, mit denen Jesus am Palmsonntag beim Einzug in die Stadt Jerusalem begrüßt wurde. Als Palmkätzchen bezeichnet man die männlichen Blütenstände der Salweide. Oft schon im Februar schälen sich ihre grauen, pelzigen Kätzchen aus der Hülle und noch ehe sie gelb aufblühen, schneidet man davon Zweige für Ostersträuße und Palmbuschen. Weil Weiden „zweihäusige Pflanzen“ sind, werden auf einem Baum entweder nur männliche oder nur weibliche Blüten ausgebildet. Die weiblichen Kätzchen sind unscheinbar grünlich, aber sowohl männliche wie weibliche Kätzchen produzieren Nektar. Bei den Bienen sind die blühenden Weiden als erste Nahrung im Jahr begehrt, der Großteil der Bestäubung der Weiden erfolgt aber über den Wind. Die Samen, die er durch die Lüfte trägt, sind sehr klein, leicht und mit vielen weißen Samenhaaren besetzt.
Es gibt keine Maschinen, die das Flechten mit Weidenruten so gut beherrschen wie der Mensch (oben links). Der Seerosenteich mit den Trauerweiden im Garten von Claude Monet war Motiv vieler Gemälde (oben rechts). Für ein Weidenbauwerk, wie hier ein Weidentipi, können ein- und zweijährige biegsame Ruten der Kopfweide verwendet werden (unten links). Knospen werden für die Herstellung von Arzneien verwendet (unten rechts).
Natürliches Schmerzmittel. Die Bezeichnung Weide kommt vom althochdeutschen „wida“, das bedeutet „die Biegsame“. Biegsam wie ein Weidenzweig wollte man auch sein, wenn steife Gelenke zwickten und zwackten und wendete die Weide bei dergleichen Beschwerden an. Die Signaturlehre als historische Heilmitteltheorie geht davon aus, dass äußere Merkmale von Pflanzen auf ihre heilenden Eigenschaften hinweisen, somit also Pflanzen, die an nassen Plätzen wachsen, auch gegen Krankheiten helfen, die durch Nässe und Kälte entstehen. Und tatsächlich: Die Rinde der Silberweide wirkt bei Fieber, Kopfschmerzen, Erkältungskrankheiten und hat eine schmerzlindernde und entzündungshemmende Wirkung. Viele Jahrhunderte war sie eines der wenigen verfügbaren natürlichen Schmerz- und Fiebermittel. 1828 wurde erstmals aus Weidenrinde eine Masse extrahiert und nach dem botanischen Namen der Weide, Salix, „Salicina“ genannt. Diese Erkenntnisse führten letztlich 1897 zur synthetischen Herstellung der Acetylsalicylsäure – als „Aspirin“ bis heute eines der meistverkauften Arzneimittel. Die Weidenrinde geriet damit lange in Vergessenheit, erst in neuerer Zeit erhält ihre natürliche Heilwirkung wieder mehr Aufmerksamkeit.
Magische Kräfte. Die Weide galt nach altem Volksglauben auch als Baum mit der Fähigkeit, Unheil und Krankheit des Menschen durch einen Zauberspruch auf sich zu nehmen. Deshalb wurden einst auch Zauberstäbe aus Weidenholz gefertigt. Wie Harry Potter Fans vielleicht wissen, bestand der zweite Zauberstab seines Freundes, Ron Weasley, aus Weidenholz mit einem Kern aus Einhornhaar. Weidenzweige können aber viel mehr, als Zauberlehrlinge bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Schon die alten Kelten verstanden sich auf die Kunst des Weidenflechtens. Zur Zeit der ersten Weidenblüten im März feierten die Druiden die Wiedergeburt der Natur und steckten Weidenzweige in die Erde ihrer Felder, um deren Fruchtbarkeit zu erhalten.
Kulturgut und Naturschatz. Weiden lassen sich gut zurückschneiden und treiben dann mit biegsamen Zweigen durch. Durch das wiederholte Entfernen der Neuaustriebe verdicken sich die Schnittstellen zu einem typischen „Kopf“. Diese Kulturform war also immer schon für die Gewinnung von Flechtmaterial charakteristisch. Kopfweiden werden bis zu 120 Jahre alt, sind Kulturgut und ökologisch überaus wertvoll. Die „dickstämmige Bäume mit Igelfrisur“ prägen etwa das Landschaftsbild des Weinviertels und sind wichtiger Lebensraum gefährdeter Tierarten, u. a. für holzbewohnende Käfer wie den Eremiten. Auch Höhlenbrüter wie der Steinkauz besiedeln Kopfweiden.
Flechtereien. Während die Korbflechterei vor einigen Jahren noch als aussterbendes Handwerk galt, erlebt sie heute eine Renaissance. Kein Wunder, denn das Flechten ist zwar eine kunstvolle Tätigkeit, hat aber praktischen Nutzen: In fast jedem Haushalt findet sich auch heute noch ein geflochtener Gebrauchsgegenstand, vom Einkaufskorb bis zum Rankgerüst im Garten – allesamt nachhaltige natürliche Produkte, die keinen Abfall hinterlassen. Eine Faustregel besagt, dass alle Weiden mit schmalen Blättern als Baumaterial geeignet sind, dazu zählen zum Beispiel Korbweide, Purpurweide, Salweide, Silberweide und Dotterweide. Für ein Weidenbauwerk, etwa ein Weidentipi können ein- und zweijährige Ruten verwendet werden. Einjährige sind noch sehr biegsam und lassen sich für die feinen Flechtarbeiten verwenden. Am besten mit dem Finger prüfen: Den Trieb um einen Finger wickeln – wenn er weder knickt noch bricht, ist er ideal zum Flechten. Zweijährige und ältere Zweige sind stabiler und können in der Konstruktion eine stützende Funktion übernehmen.
Ruten schneiden und pflanzen. Hat die Weide ihre Blätter komplett abgeworfen, transportiert der Baum weder Wasser noch Nährstoffe in die Zweige. In dieser „Saftruhe“, zwischen Spätherbst und zeitigem Frühjahr, solange die Knospen noch nicht angeschwollen sind, ist Zeit für den Schnitt. Zum Schutz brütender Vögel sollte er Mitte März beendet sein. Geschnitten werden gerade gewachsene Äste mit möglichst wenigen Verzweigungen. Die Ruten sollte man so rasch wie möglich verarbeiten, sonst trocknen sie aus und können nicht mehr austreiben. Bei Verzögerungen werden sie schattig, am besten in einem dunklen, feuchten Keller oder mit den Schnittflächen in Wasser gelagert. Bis Mitte Mai lassen sich die Ruten pflanzen und verbauen. Danach werden sie über die Sommermonate gut mit Wasser versorgt. Die jungen Zweige, die sie treiben, kann man entweder regelmäßig in die Grundkonstruktion einflechten oder zurückschneiden.
Bezugsquellen. Weidenruten in der freien Landschaft zu schneiden, ist nur mit dem Einverständnis der Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer möglich. Kopfweiden müssen aber alle zwei bis drei Jahre zurückgeschnitten werden, damit sie ihre typische Form behalten. Um eine Genehmigung dazu kann man bei den örtlichen Kommunen und Naturschutzbehörden nachfragen. Geschnittene Weidenruten gibt es auch zu kaufen. Wer einen großen Garten besitzt, kann seine eigene Kopfweide pflanzen und hat damit einen Rutenvorrat vor der Haustüre.
Weidenrinde: als Tee, Tinktur oder Badezusatz bei Entzündungen, Fieber, Erkältung, Kopfschmerzen, Gicht, rheumatischen und arthritischen Beschwerden, Fußschweiß. Shampoo aus Weidenrinde mildert Juckreiz, Rötungen und befreit das Haar von Schuppen. Hautpflegeprodukte auf Basis der Weidenrinde wirken antibakteriell und hautberuhigend.
Blütenkätzchen: als Tee bei nervöser Unruhe und Schlaflosigkeit
Blätter: zerquetscht gegen Juckreiz und bei Insektenstichen
Knospen: für Präparate der „Gemmotherapie“, der Herstellung von Arzneien aus jungem, teilungsfähigem Gewebe von Pflanzen
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Wer das Handwerk Korbflechten erlernen möchte, findet in NÖ zahlreiche Möglichkeiten dazu, etwa in den Kloster-Schul-Werkstätten Schönbach, im Naturpark Ötscher-Tormäuer, in der Werkstatt „Korbsalix“ in St. Andrä-Wördern, bei der Flechtwerkstatt in Pottschach, beim Ländlichen Fortbildungsinstitut NÖ und anderen Adressen.
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