Die Herausforderungen des Klimawandels erfordern nicht nur technologische Innovationen, sondern auch tiefgreifendes Umdenken bei uns Menschen und in der Gesellschaft. Um nachhaltiges Verhalten zu fördern, ist es entscheidend, psychologische Ansätze zu verstehen und anzuwenden. In diesem Beitrag werden verschiedene psychologische Modelle beleuchtet, die dazu beitragen können, das Wissen über Nachhaltigkeit in konkretes Handeln umzuwandeln.
Text: Norman Schmid
Nachhaltiges Verhalten – ist es logisch, oder nicht? Auch wenn wir überzeugt sind, meistens rational zu handeln, so zeigt die Realität, dass der Mensch ein zutiefst emotionales Wesen ist. Das ist aber keineswegs problematisch, sondern zum einen sehr positiv, ermöglichen Gefühle doch erst ein intensives und erfülltes Leben. Zum anderen benötigen wir für die Motivation zu neuem Verhalten (auf etwas hinbewegen) auch die Emotion (innerlich bewegt zu sein). Insofern ist es entscheidend, dass Maßnahmen für ökologisches und umweltbewusstes Verhalten die Bedürfnisse der Menschen ansprechen und auch emotional anregend sind.
Praktisch: eine gute Theorie. Es gilt das menschliche Verhalten zu verstehen und positiv zu beeinflussen. Menschliches Verhalten ist vielfältig und komplex, weshalb die psychologische Forschung eine Vielzahl an Motivationstheorien entwickelt hat. Diese sind nicht nur graue Theorie, sondern zeigen effektive Wege auf, um Verhaltensweisen zu ändern und zu fördern. Im Folgenden werden einige Theorien vorgestellt und umrissen. Diese können zum Beispiel dazu beitragen unser Konsumverhalten dahingehend zu verändern, dass es zu positiven Auswirkungen auf unsere Umwelt und Ressourcennutzung kommt.
Wer den Einkauf gut plant und sich für möglichst unverpackte, regionale Produkte entscheidet, hat bereits viel erreicht.
Modell der Veränderung. Kurt Lewins Theorie der Veränderung ist ein klassisches Modell zur Veränderung von Verhalten, das bereits 1952 aufgestellt wurde. Dieses besteht aus drei Phasen, die passend zur Klimakrise Auftauen, Bewegen und Einfrieren genannt werden. In der ersten Phase, dem Auftauen, wird das bestehende Verhalten hinterfragt und aufgelockert. Es geht darum, Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Veränderung zu schaffen. In der Phase zwei, dem Bewegen, erfolgt die eigentliche Verhaltensänderung. Und in Phase drei, dem Einfrieren, wird das neue Verhalten stabilisiert und in den Alltag integriert.
Abschauen erlaubt! Das Modelllernen. Je umweltbewusster sich die anderen (Familie, Nachbarschaft, Arbeitskolleginnen und -kollegen, etc.) verhalten, umso stärker wird das eigene Verhalten in diese Richtung beeinflusst (soziale Norm). Eine besonders wirkungsvolle Methode zur Förderung nachhaltigen Verhaltens ist das Modelllernen, bei dem Menschen durch Beobachtung anderer lernen. Wenn Individuen sehen, wie andere erfolgreich umweltfreundliche Entscheidungen treffen (z. B. weniger konsumieren) – sei es im Freundeskreis oder in den Medien – sind sie eher geneigt, diese Verhaltensweisen nachzuahmen.
Entscheidungsbaum. Der Entscheidungsbaum der Verhaltensänderung gibt einen Überblick über die wichtigsten Grundlagen des nachhaltigen Verhaltens. Damit dieses gelingt, ist wie bei einer Pyramide das Fundament besonders wichtig. Darauf bauen dann weitere Aspekte auf, bis es zur Umsetzung des neuen Verhaltens kommt. Die einzelnen Bausteine sind dabei nur teilweise bewusst, wie z. B. Wissen. Andere Bausteine, wie Werte oder Bedürfnisse müssen im Allgemeinen reflektiert und diskutiert werden, um diese bewusst zu machen. Besonders Gewohnheiten sind so weit automatisiert, dass sie erst beim Innehalten erkennbar und veränderbar sind. Die Bestandteile des Entscheidungsbaums sind gleichermaßen Hürden und Beschleuniger. Beispielsweise kann bewusste Selbstwirksamkeit einen mächtigen Motivations-Boost darstellen.
Verhaltensänderung in sechs Phasen. Ein weiteres Modell ist das Transtheoretische Modell von Prochaska und DiClemente. Es beschreibt die verschiedenen Stufen, die Menschen durchlaufen, wenn sie ihr Verhalten ändern. Es gibt sechs Phasen. Die erste ist die Absichtslosigkeit. In dieser hat die Person noch keinerlei Absicht ihr Verhalten zu ändern. Sehen wir uns das Beispiel Konsum an, wäre es bspw. eine Person, die weiterhin Produkte, die in viel Plastik verpackt sind, kauft – ohne sich Gedanken über die Umweltauswirkungen zu machen. Häufig wissen die Menschen nicht oder zu wenig über das Problem Bescheid, oder erkennen ihren eigenen Einfluss nicht. In Phase zwei – der Absichtsbildung – beginnt die Person über eine Verhaltensänderung nachzudenken, ist aber noch unentschlossen. Sie liest beispielsweise einen Zeitungsartikel über die unzähligen negativen Auswirkungen von Plastikmüll und beginnt, sich mit möglichen Alternativen zu beschäftigen. In dieser Phase spielt auch die soziale Norm eine wichtige Rolle – wenn die Person sich oft mit Menschen umgibt, denen Klimaschutz ein Anliegen ist und die Maßnahmen setzen, hat das eine positiv verstärkende Wirkung.
Gut vorbereitet. Die nächste Phase ist die Vorbereitung, das heißt die Person plant aktiv, ihr Verhalten zu ändern und bereitet sich vor: Zum Beispiel werden wiederverwendbare Einkaufshilfen und Behälter gekauft und die Person beginnt mit Recherchen, wo man verpackungsarm/verpackungsfrei einkaufen kann.
Jetzt geht’s richtig los! Phase Nummer vier ist die Handlung, das heißt, jetzt werden die Pläne aktiv in die Tat umgesetzt. Das Verhalten wird geändert. Die Person kauft nun in Unverpacktläden ein, bringt eigene Behälter mit und nutzt einen Einkaufskorb. In der nächsten Phase – der Aufrechterhaltung – wurde das Verhalten bereits erfolgreich geändert und ist im Alltag integriert. Die Person hat sich nun angewöhnt plastikfreie Produkte zu kaufen, wann immer es möglich ist, und achtet verstärkt darauf, auch andere nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Aber Achtung: Diese Phasen der Transformation laufen nicht immer linear, das heißt in den unterschiedlichen Phasen, kann es auch immer wieder zu Rückfällen in alte Verhaltensweisen kommen, z. B. ist es für die Person in manchen Fällen bequemer, wieder in Plastik verpackte Produkte zu kaufen. Nach einer Weile wird sich das Verhalten bestenfalls aber wieder in Richtung umweltbewussten Konsum verändern.
Rückfälle bedeuten kein Scheitern. Wenn Sie gerade mitten in einem Verhaltensänderungsprozess stecken und einen Rückfall ins weniger nachhaltige Verhalten bemerken, sehen Sie diesen Umstand keinesfalls als Scheitern, sondern als Teil des Prozesses. Mithilfe einiger Tricks können Sie sich rasch selbst wieder „auf den nachhaltigen Weg“ bringen: zum Beispiel indem Sie sich realistische Ziele setzen. Sie können auch die Menschen in Ihrem Umkreis einbinden, Freunde und Familie können helfen, motiviert zu bleiben. Manchmal sind es spezielle Situation, wie zum Beispiel Stress und Zeitdruck, die uns wieder in „alte Muster“ kippen lassen. Je besser Sie darüber Bescheid wissen, desto eher können Sie sich dagegen wappnen bzw. diese vermeiden. Auch positive Bestärkung und sich selbst belohnen, wenn man gesetzte Ziele erreicht, helfen die Motivation hochzuhalten.
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Dr. Norman Schmid ist Umweltpsychologe, Unternehmensberater und Geschäftsführer von ÖKO Coaching, Leiter der Fachsektion Umwelt-psychologie des Berufsverbandes Österreichischer Psychologinnen und Psychologen“.
Die Fachsektion Umweltpsychologie des Berufsverbandes Österreichischer Psychologinnen und Psychologen (BÖP) ist Partner im wir-leben-nachhaltig Netzwerk und hat sich zum Ziel gesetzt, die Bewältigung aktueller und zukünftiger Herausforderungen unserer Gesellschaft mit dem Wissen der Psychologie zu unterstützen.
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