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Geschichten aus dem Elsbeerreich

 

Die Kulturlandschaft des Wiesenwienerwaldes birgt einen recht wenig bekannten Schatz: Die großen alten Elsbeerbäume der Region sind Kostbarkeiten für Mensch, Tier und den Naturschutz. 

Text: Elke Papouschek

 

Der Elsbeerbaum (Sorbus torminalis) besiedelt seit Jahrtausenden die Laubwälder von Mittel- und Südeuropa. Er zählt zu den Rosengewächsen und so wie seine nahe Verwandtschaft – Vogelbeere, Mehlbeere und Speierling – hat auch er Wildfrüchte zu bieten, die man nutzen kann. Schon den alten Römern war der Baum wohlbekannt und im Mittelalter wurden Elsbeeren auf jedem Markt angeboten, sie dienten den Menschen als Speise und dem Vieh als Futter. Im getrockneten Zustand wurden die Beeren wegen ihrem hohen Gerbstoff- und Pektingehalt als Heilmittel gegen Verdauungsstörungen verwendet und sollten sogar bei Ruhr und Cholera Linderung verschaffen. Der Name zeigt die Wirkung: Die lateinische Bezeichnung Sorbus hat ihren Ursprung im keltischen Wort „sorb“ für herb, torminalis leitet sich vom lateinischen Wort „tormina“ ab, das Leibschmerzen bedeutet.


Fast vergessen. Heute sind die majestätisch großen Elsbeerbäume selten geworden. Vielleicht auch, weil sie keinen Konkurrenzdruck durch andere Arten vertragen und zu Gunsten weniger empfindlicher Bäume entfernt wurden. Umso erfreulicher ist es, dass in unserem Bundesland, dort wo der Wienerwald in das Mostviertel übergeht, der dichteste Bestand an Elsbeerbäumen in Mitteleuropa zu finden ist. In der Landschaft des Elsbeerreiches rund um die Marktgemeinde Michelbach stehen noch einige hundert große Bäume. Mehrere Orte, darunter auch Böheimkirchen, Hainfeld, Eichgraben, Maria Anzbach, Neulengbach und Wilhelmsburg, haben sich hier als Verein die Erhaltung, Pflege und Vermarktung der Beeren, die wie winzige Äpfelchen aussehen, zur Aufgabe gemacht und dafür die Auszeichnung „Genussregion Wiesenwienerwald Elsbeere“ erhalten. Elsbeer-Spezialitäten wie Schokolade, Cremehonig, Camembert, Blüten-Sirup und Likör gibt es in der Region ab Hof zu kaufen. Köstlichkeiten von und mit Elsbeeren finden sich auf den Speisekarten vieler Landgasthöfe. Die Elsbeere ist aber auch die Namenspatin der LEADER-Region Elsbeere Wienerwald, die als Verein zur Förderung der Regionalentwicklung zusammenarbeitet.

 
Beim Abrebeln der Beeren, dem „Odlatzbia Oröwen“ kommen Familien zusammen und geben dabei auch viel Wissen rund um die Elsbeere weiter. Es bedarf 25 bis 30 kg an Früchten, um einen Liter des Elsbeer-Edelbrandes zu gewinnen.

Beim Abrebeln der Beeren, dem „Odlatzbia Oröwen“ kommen Familien zusammen und geben dabei auch viel Wissen rund um die Elsbeere weiter. Es bedarf 25 bis 30 kg an Früchten, um einen Liter des Elsbeer-Edelbrandes zu gewinnen.

 

Bester Freund. Die Elsbeere, auch Adlitzbeere, Arlsbeere, Arisbeere oder Elzbeere genannt, wächst auf warmen, trockenen und hellen Standorten und braucht kalkhaltige Böden. Man findet sie oft zusammen mit dem Dirndlstrauch (Kornelkirsche), der sich als lockeres Gebüsch in seiner Nähe ansiedelt. Ab September werden die rotbraunen, kugeligen Elsbeer-Früchte reif. Sie schmecken leicht mehlig, aber angenehm säuerlich-süß und entfalten mit zunehmender Reife ein Mandel-Marzipan-Aroma. Die schöne gelbe Herbstfärbung der Blätter trägt ein Übriges zur Attraktivität der mächtigen Bäume bei.


In der Region gibt es kaum einen Elsbeerbaum, der nicht in Sichtweite zu einem Dirndlstrauch steht.

 

Lebensraum. Diese sind nicht nur ein ästhetischer Gewinn, sondern auch ein wichtiger Naturschutzfaktor, weil sie am Übergang zwischen Wiesen und Wäldern besonders viele Lebewesen beherbergen. Im Juni tragen die Bäume weiße Blütendolden, die für Wildbienen und andere Insekten eine wichtige Nektarquelle sind, über nicht geerntete oder zu Boden gefallene Früchte freuen sich bis in den tiefen Winter hinein Vögel und Nagetiere. Vögel nutzen die Bäume als Rastplatz, zum Nestbau oder für das Warten bei der Jagd. Spechte legen Bruthöhlen an, die später auch von anderen Vogelarten genutzt werden und auch Fledermäusen und Käfern Schutz bieten. Auch der Eremit-Käfer, eine selten gewordene und streng geschützte Art, findet in den Baumhöhlen ein Zuhause. Hier gibt es die richtige Mulm-Mischung aus Ablagerungen von zersetztem Holz, tierischen Exkrementen und anderem organischen Material.  


Schwierige Ernte. DElsbeerbäume können 200 Jahre und mehr alt werden, tragen jedoch erst nach 30 bis 40 Jahren das erste Mal Früchte. Eine ertragreiche Ernte ist dabei nur alle drei bis vier Jahre zu erwarten. Das Abernten der hohen Bäume auf langen Leitern erfolgt händisch und erfordert große Konzentration. Weil die Früchte einer Dolde oft nicht zur selben Zeit reifen, lagert man sie noch ein paar Tage zum Nachreifen luftig und kühl. Danach werden sie Beere für Beere abgerebelt, von den Stielen befreit und weiterverarbeitet. Bei dieser Arbeit, dem „Odlatzbia Oröwen“ kommen Familien und Helferinnen und Helfer zusammen und geben dabei auch das Wissen um die Elsbeere und ihre Ernte und Verarbeitung von einer Generation zur nächsten weiter. Das „Odlatzbia Oröwen im Wiesenwienerwald” wurde daher 2020 in der Kategorie „Umgang mit der Natur” in die Liste des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen. 


Das „Odlatzbia Oröwen“ ist immaterielles Kulturerbe und hat in der Region 200 Jahre Tradition.


Kostbarer Brand. Da die Elsbeere als frische Frucht nur kurze Zeit zur Verfügung steht, gibt es sie auch getrocknet, als Zugabe zu Müsli oder zum Knabbern für zwischendurch. Neben Marmelade, Gelee, Kompott und Saft ist das „Adlitzbeerwasser“, der Elsbeerbrand, mit seinen feinen Aromen von Marzipan und Nougat das edelste Produkt. Dazu werden die Früchte mit Gärhefe und Wasser eingemaischt. Nach rund sechs Wochen Gärprozess kann mit dem Destillieren begonnen werden. Bereits bei der Herstellung des Rauhbrandes ist zu erkennen, wie gering die Ausbeute ist. In einem zweiten Brennvorgang, der „Läuterung“, wird zu guter Letzt der Feinbrand destilliert. Etwa 35 kg Elsbeeren und bis zu 50 kg Maische benötigt man für einen Liter fertigen Edelbrand – das erklärt auch die stolzen Verkaufspreise von mehreren hundert Euro je Liter. Immer weniger Bauernfamilien möchten diese mühsame und auch nicht ungefährliche Arbeit auf sich nehmen, deshalb hat es sich der Verein Elsbeerreich zur Aufgabe gemacht, diese einmalige Edelbranderzeugung nicht aussterben zu lassen.


Die Elsbeere wurde einst zum schönsten Holz der Welt gekürt.


Holzkunsthandwerk wiederentdeckt. Die Elsbeere ist ein sogenannter „Riefholzbaum“, d. h. Splint- und Kernholz unterscheiden sich nicht in der Farbe. Das harte, gelbliche bis rötlichweiße Holz dunkelt unter Lichteinfluss bräunlich nach und gehört zu den teuersten Holzarten. Bei der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 wurde es einst zum schönsten Holz der Welt gekürt und ist bis heute im Handwerk hochgeschätzt. Da es nicht dauerhaft wetterfest ist, kann das Holz nur für den Innenausbau, für Flügel, Pianos, Holzblasinstrumente und z. B. auch wertvoller Köös verwendet werden. Mit dem wiedergewonnenen Bewusstsein für diese Holzart kommt aber auch neues Kunsthandwerk aus Elsbeerholz dazu, ein Tischlermeister in der Region fertigt Holzschalen, Kugeln, Teelicht-Schalen und mehr daraus. 


Ausgezeichnet. Die „Wiesenwienerwald Elsbeere“ wurde 2008 von der internationalen Slow Food Stiftung als erstes Produkt Österreichs mit dem „Slow Food Presidi“ prämiert. Das kennzeichnet sie als Projekt für eine nachhaltige Landwirtschaft, die lokale Ökosysteme und regionale Traditionen erhält und Lebensmittel von unverwechselbarer Qualität schafft.


Eintauchen und erleben. Es gibt für Groß und Klein viel zu entdecken im Elsbeerreich, das 23 Gemeinden umfasst und rund 800 km2 groß ist. In mehreren Gemeinden wurden Elsbeer-Wanderwege angelegt. Durch Hinweistafeln erfährt man Wissenswertes zu Baum, Frucht und Produkten. Im Zentrum liegt die Marktgemeinde Michelbach, sie ist der Sitz des Vereins Elsbeerreich. Im „Haus der Elsbeere“, am Biohof Mayer in Michelbach, können Besucherinnen und Besucher traditionelles und neues Wissen rund um die Elsbeere erleben. Mitglieder des Vereins präsentieren hier ihre vielfältigen Produkte aus der Elsbeere und am Schnapsbrennen Interessierte haben die Möglichkeit, die Brennerei zu besichtigen und die hochprozentigen Erzeugnisse zu verkosten.

 

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elsbeerreich.at

elsbeere-wienerwald.at

landschafftleben.at 

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Buchtipp:

Das Buch „Elsbeere – Buch zum Baum“ liegt als Nachdruck der 2. Auflage wieder auf. Das ursprünglich 2013 erschienene, vergriffene Buch mit 610 Seiten über die Nutzung und Verwendung der Elsbeere in Österreich wurde 2022 neu überarbeitet und vom Verein Elsbeerreich herausgegeben. Bestellungen unter elsbeerreich.at.

 
Buchcover: Elsbeere - Buch zum Baum
 
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KÜCHENGEHEIMNIS

Elsbeer-Topfen-Auflauf

Zutaten: 50 g getrocknete Elsbeeren, 2 cl Elsbeerlikör, 4 Eier, 270 g Topfen (20 %), 80 g Zucker, Butter und Kristallzucker für die Formen. 

Zubereitung: Elsbeeren grob hacken und 30 Minuten im Elsbeerlikör einweichen. Dotter mit Topfen cremig rühren und die Elsbeeren beigeben. Eiklar mit Zucker zu Schnee aufschlagen und unter die Elsbeer-Topfenmasse heben. Souffleformen mit Butter ausfetten und mit Kristallzucker bestreuen. Die Formen zu 3/4 mit der Masse befüllen und in ein heißes Wasserbad stellen. Im Backrohr bei 180 °C für 25 Minuten backen und auf einem Fruchtspiegel, z. B. aus Brombeeren oder Dirndln, servieren.

Quelle: Elsbeere - Buch zum Baum  

 
Elsbeer-Topfen-Auflauf

JANNA- STOCK.ADOBE.COM

 


 

Elsbeerschaumsuppe

Zutaten: 300 g reife Elsbeeren, 40 g Butter, 50 g Schalotten, 50 g Stangensellerie, 50 g Weißes vom Lauch, 1/8 l Schlagobers, 1 l Hühnerfond, Salz, Pfeffer, Muskatnuss, 1 Schuss Elsbeerbrand

Elsbeerschaumsuppe

© LILECHKA75 - STOCK.ADOBE.COM

 

Zubereitung: 

Gemüse und Schalotten in kleine Würfel schneiden, mit Butter und den gewaschenen Elsbeeren in einem Suppentopf anschwitzen, mit Hühnerfond auffüllen und ca. 1/2 Stunde leicht kochen lassen. Mit dem Stabmixer mixen, Schlagobers einrühren, abschmecken und vor dem Servieren den Elsbeerbrand zugeben.

 

Quelle: Elsbeere - Buch zum Baum 

 

 

Zitat: Freistehende Elsbeerbäume prägen die Wiesen der Region „Elsbeerreich“.

 

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