Mit der Marillenreife beginnt eine lukullische Zeit. Frisch verschmaust, von Teig umhüllt, als Marmelade, Nektar oder hochprozentig vergoren – die Sonnenfrüchte stehen für regionalen Genuss und bieten so ganz nebenbei auch eine Vielzahl wertvoller Inhaltsstoffe.
Text: Elke Papouschek
Die Geschichte der Marillenkultur reicht bis 3.000 v. Chr. zurück, wo in China bereits Sorten angebaut wurden und die Früchte fester Bestandteil der Ernährung waren. Alexander der Große brachte die Marille nach Griechenland und Italien, und vom römischen Reich aus gelangte sie auch in den Donauraum und die Wachau, wo sie seit rund 2.000 Jahren angebaut wird. Für das Gebiet der Wachau findet sich die älteste namentliche Nennung im Archiv des Hochstiftes St. Peter in Salzburg. 1679 berichtet der „Löß-Commissary“ des Stiftes über die Bäume, die damals in Oberarnsdorf in den Stiftsweingärten standen und führt dabei „Nuß, Pfersich, Mariln, Mandeln“ an. Lange Zeit wurden Marillen zur Eigenversorgung kultiviert, erst ab etwa 1900 kam es zu einem erwerbsmäßigen Marillenanbau und das aus einer Not heraus: In den 1870er Jahren trat hierzulande erstmals die Reblaus als Weinbauschädling in Erscheinung und führte zu einer massiven Gefährdung der Einnahmequellen durch den Weinbau. Als Folge wurde der Marillenanbau in der Wachau neben dem Wein zum zweiten wichtigen Erwerbszweig. Die Wachauer Obstbauern und die ansässigen Baumschulen entwickelten die Sorte „Klosterneuburger Marille“, die auch heute noch den Großteil der Wachauer Marillenbestände bildet.
Heiß begehrt. Das einzigartige Aroma der Wachauer Marille entsteht durch das Zusammenspiel von hohen Zucker- und Säurewerten. Verantwortlich dafür ist das Zusammentreffen mehrerer Klimaeinflüsse: das warme pannonische Klima, die unmittelbare Nähe der Donau sowie der raue Einfluss des Waldviertels und die dadurch – besonders zur Reife hin – großen Unterschiede zwischen Tag- und Nachttemperaturen. Die Europäische Union hat aus diesem Grund die Wachauer Marille unter den Schutz einer „Geschützten Ursprungsbezeichnung“ gestellt. Mit dem Namen „Wachauer Marille g.U.“ dürfen nur Marillen bezeichnet werden, die aus den Gemeinden Aggsbach-Markt, Albrechtsberg, Bergern im Dunkelsteinerwald, Droß, Dürnstein, Furth, Gedersdorf, Krems, Maria Laach, Mautern, Mühldorf, Paudorf, Rohrendorf bei Krems, Rossatz-Arnsdorf, Senftenberg, Spitz, Stratzing, Weinzierl am Walde, Weißenkirchen, Schönbühel-Aggsbach und Emmersdorf stammen.
Wenn im Juli die Marillen reif werden, ist jede helfende Hand gefragt. Die duftenden Früchte mit der zarten Haut müssen zügig, aber vorsichtig geerntet werden. Das Wachauer Marillenzistel ist der traditionelle Pflückkorb dafür. Durch seine schmale und spitz nach unten zusammenlaufende Form vereinfacht es die Marillenernte in hohen Bäumen und verringert den Druck auf die im Pflückkorb unten liegenden Marillen.
Marillen zählen zu den Rosengewächsen. Frisch gepflückte, reife Marillen stehen für unvergleichlichen Genuss. Marillen entfalten ihr volles Aroma nur, wenn sie am Baum ausreifen. Dann muss man schnell sein mit dem Genießen oder Verwerten, denn für eine längere Lagerung sind die herrlichen Früchte nicht geeignet.
Nicht nur in der Wachau. Wo Wein wächst, fühlt sich auch die Marille wohl. Das gilt für die Wachau genauso wie für das Weinviertel. Und wenn die berühmtesten Marillen auch aus der Wachau kommen, das Weinviertel ist mit 325 ha das größte Anbaugebiet in Österreich, hier stehen etwa doppelt so viele Bäume wie in der Wachau. Im Weinviertel wird mit Anfang Juni bis Ende Oktober sehr lange geerntet. Möglich machen das 400 Marillensorten, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten reif werden. Die Erntemengen der Marillen sind stark von der Witterung zur Blütezeit abhängig. Im österreichischen Erwerbsobstanbau erntet man in guten Erntejahren an die 8.000 t Marillen. 2013 und 2019 waren Rekordjahre mit knapp über und knapp unter 10.000 t, während 2020 aufgrund starker Spätfröste nur 950 t geerntet werden konnten. Über 80 % der Erntemengen in Österreich stammen aus Niederösterreich, gefolgt von der Steiermark und dem Burgenland. Weltweit werden etwa 540.000 ha Marillen angebaut. Über 95 % der in Europa erhältlichen Marillen stammen aus der Türkei, wo rund 100.000 t jährlich geerntet werden, die nächstgrößeren Erntemengen kommen aus Usbekistan, Italien, Algerien und dem Iran. Europäische Exportländer von Marillen sind neben Frankreich, Italien, Spanien auch Griechenland und Ungarn.
Selbst gepflückt. Werden robuste Sorten auf geeigneten Standorten verwendet und die wichtigsten Pflegehinweise beachtet, dann kann man die herrlichen Früchte auch aus eigener Ernte genießen. Marillenbäume lieben Sonne und Wärme und sind empfindlich gegen Spätfroste. In kalten, niederschlagsreichen Gegenden wie z. B. dem Waldviertel sollte die Marille nur an einer geschützten Hauswand gepflanzt werden, während in wärmeren Klimagebieten wie etwa dem Weinviertel auch ein „offener Standort“ im Garten möglich ist.
Marillenblüten sind stark spätfrostgefährdet. An sehr sonnigen Standorten in direkten Südlagen kommen die Bäume früher zur Blüte, damit steigt auch die Gefahr, dass sie von späten Frösten geschädigt werden. Ideal sind also ein nach Südwesten ausgerichteter Standort und keine nassen, sondern eher trockene, nährstoffarme Böden. Alte und bewährte Marillensorten sind die hocharomatische und durch die späte Blüte weniger frostgefährdete „Klosterneuburger Marille“ sowie die ertragssicheren Sorten „Ungarische Beste“ und „Kremser Rosenmarille“. „Bergeron“ ist so wie „Tardicot“ spätblühend und damit frostfest, beide reifen zwei Wochen später als die „Ungarische Beste“. „Sylvercot“, „Pinkcot“ und „Goldrich“ sind neue Vertreter der „Weinviertler Marille“ als frostfeste, reichtragende Sorten. Für eine bessere Fruchtqualität und Baumgesundheit empfiehlt es sich, zu hohen Fruchtansatz zu reduzieren. Im Mai, sobald die Früchte Haselnussgröße erreicht haben, dünnt man sie auf etwa eine Frucht pro Handbreite aus.
Rundum wertvoll. Der gesundheitliche Wert der runden Steinfrüchte ist beachtlich. Der hohe Anteil an Beta-Carotin, einer Vorstufe des Vitamins A, tut Augen und Haut gut. Darüber hinaus bieten Marillen neben den Mineralstoffen Kalzium, Kalium, Phosphor und Eisen auch Niacin, das die Nerven stärkt, Folsäure, die Blutbildung und Zellwachstum fördert, Vitamin B5, das Vitalität und Fettabbau unterstützt und Vitamin C für die Stärkung des Immunsystems. Das alles kombiniert die Frucht mit einem hohen Wasseranteil. Marillen können auch viel mehr, als nur Faschingskrapfen versüßen. Als Dessert bieten sich Variationsmöglichkeiten von Kuchen, Knödel, Eis, Fruchtsaucen, Kompott und vieles mehr an. Frische Marillenscheiben geben Salaten eine fruchtige Note. Als Beilage zur Hauptspeise schmecken eingelegte Marillen nicht nur zu Wild oder Lamm, sondern auch zum klassischen Schweinsbraten. Marillennektar ist eine besondere Köstlichkeit und mit Wasser aufgespritzt höchst erfrischend.
Heikles Gut. Marillen muss man reif ernten und rasch genießen bzw. verarbeiten. Unreife geerntete Früchte reifen nicht nach. Reife Marillen enthalten ca. 85 % Wasser und sind deshalb nur kurze Zeit lagerfähig – lediglich wenige Tage im Gemüsefach des Kühlschrankes sind möglich. Früchte mit Druckstellen muss man noch rascher verarbeiten, sonst beginnen sie zu faulen. Gut, dass es für die Sonnenfrucht so vielfältige Möglichkeiten der Verwertung gibt – auch das Dörren im Backofen oder das Tiefkühlen zählen dazu. Damit sie nicht zusammenklumpen, legt man die Marillenhälften dafür zuerst lose auf ein Blech, friert sie so vor und füllt sie erst danach in den Gefrierbeutel.
Auch die Ressource Marillenkern lässt sich nutzen: Das Start-Up „Wunderkern“ knackt im niederösterreichischen Herzogenburg Marillenkerne und produziert daraus einen pflanzlichen Drink als Milchalternative. Er punktet durch nussig-cremigen Geschmack und soll sich auch gut zum Kochen und Backen eignen. Zusätzlich bietet das junge Unternehmen auch Marillenkernöl und eine Schoko-Kern-Creme aus Marillenkernen, kombiniert mit Kakao und echter Bourbon-Vanille an.
---------------------------------
Marillen-Himbeer-Knödel
Zutaten Teig für 4 Portionen: 250 g Magertopfen, 2 EL Grieß, 2 EL Hafermark, 1 Prise Salz, 1 TL Zimt, etwas Saft und Schale einer Bio-Zitrone, 1 ganzes Ei, Semmelbrösel oder gemahlener Mohn
Zutaten Fülle: Marillen, Himbeeren
Zubereitung: Alle Teigzutaten gut verrühren und eine Stunde kühl rasten lassen. Von den Marillen den Kern entfernen und mit einer Himbeere füllen. Die gefüllten Marillen mit Teig umhüllen, mit nassen Händen zu Knödel formen, in kochendes Salzwasser legen und 20 Minuten leicht ziehen lassen. In gerösteten Bröseln oder gemahlenem Mohn wälzen und mit Staubzucker servieren.
Quelle: umweltberatung.at
---------------------------------
Wachauer Schnitzel
Zutaten für 4 Portionen: 4 Stk. Kalbsschnitzel, 80 g Butter, 1 Prise Salz, 1/8 l Weißwein, 120 g Herrenpilze, 12 Marillen, 1/8 l Suppe
Zubereitung: Die Marillen waschen, halbieren und entkernen. Die Pilze putzen und blättrig schneiden. Das Fleisch in einer Pfanne mit Butter beidseitig anbraten, herausnehmen und warm stellen. Den Bratenrückstand mit Wein und Suppe aufgießen. Marillen und Pilze zugeben und einige Minuten dünsten. Das Fleisch zugeben und gut durchziehen lassen, vor dem Servieren die Sauce mit Salz abschmecken.
Quelle: gutekueche.at
© 2023 Amt der NÖ Landesregierung