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Hofübergabe: neue Impulse für ein heikles Thema

 

Der Verein „Perspektive Landwirtschaft“ setzt sich für eine zukunftsfähige, vielfältige und ökologisch verträgliche Landwirtschaft ein. Ziel des Vereins ist es, allen Menschen Zugang zur Landwirtschaft zu ermöglichen - auch jenen ohne bäuerlichen Hintergrund oder jenen Bauernkindern, deren Geschwister bereits den elterlichen Hof übernommen haben.

Text: Lea Andres

 

Seit 1995 hat Österreich fast 40 % seiner landwirtschaftlichen Betriebe verloren. Jeden Tag schließen im Schnitt fünf Bauernhöfe für immer ihre Pforten. Knapp die Hälfte der BetriebsführerInnen über 50 Jahre hat keine gesicherte Hofnachfolge1). Man könnte meinen, dass niemand mehr LandwirtIn werden möchte. Das stimmt aber nicht, denn es gibt viele motivierte und gut ausgebildete Leute, die ihre Zukunft in der Landwirtschaft sehen. Darunter sind NeueinsteigerInnen genauso wie jene „Bauerskinder“, die den elterlichen Hof nicht übernehmen können, da schon eines ihrer Geschwister dies getan hat. 

Neue Wege der Übergabe. Doch wie finden Menschen, die in eine Landwirtschaft einsteigen möchten, ihren künftigen Hof? Die „Perspektive Landwirtschaft“ ist dafür die richtige Adresse. So heißt der Verein, der Hofübergebende und Hofsuchende zusammenbringen will. Aus eigener Betroffenheit gründeten ihn Boku-Studierende 2013 für jene, die LandwirtIn werden wollen, aber keinen Betrieb haben. Ende 2017 rief der Verein die „Hofbörse“ ins Leben. Auf ihr registrieren sich Hofübergebende und Hofsuchende. Wer einen Steckbrief darauf veröffentlichen möchte, schließt eine Mitgliedschaft um derzeit 60 Euro ab, die ab dem Einzahlungsdatum zu laufen beginnt und ein Jahr gültig ist – Ermäßigungen sind möglich. Die Mitglieder werden vom Verein betreut: Es gibt Hofbesuche, Hilfe bei der Steckbrieferstellung, Aufklärung über Chancen und Stolperfallen, Prozessbegleitung, Newsletter und mehr. Suchen und finden müssen sich die Mitglieder über die Plattform aber selbst.

Das Vereinsziel: Allen Menschen Zugang zur Landwirtschaft bieten, Suchende zusammenzubringen, Austausch ermöglichen. 

Keine Immobilienbörse. „Unser Verein ist keine Immobilienbörse, es geht hier nicht um Verkehrswerte und Höchstpreise, sondern darum, gute Leute für einen Hof zu finden, die ihn im Sinne der Übergebenden weiter führen“, betont DI Florian Jungreithmeier, der selbst auf einem Bauernhof in Oberösterreich aufgewachsen und bei „Perspektive Landwirtschaft“ für die Mitgliederbetreuung und den Bildungsbereich verantwortlich ist. „Wer einen Hof übergibt, möchte sicher sein, dass sein Lebenswerk und oft auch das von Generationen davor in gute Hände kommt. 85 % der Übergebenden wollen auch weiterhin am Hof wohnen, ihre Erfahrung weitergeben und in den Betrieb integriert werden; die zwischenmenschliche Chemie muss also auch stimmen.“

 
Eine junge Frau und eine junger Mann stehen auf einem Getreidefeld

Auch Menschen ohne bäuerlichen Hintergrund denken an die Übernahme eines Hofes © Perspektive Landwirtschaft

 

Der Arbeit Sinn geben. Bei ca. 50 % der Hofsuchenden handelt es sich um weichende ErbInnen, bei denen ein Geschwisterteil den familiären Betrieb übernommen hat. 70 % der Hofsuchenden auf der Hofbörse haben eine landwirtschaftliche Ausbildung. Die Preise für Land und die Einkommen in der Landwirtschaft klaffen enorm auseinander. Gleichzeitig wird es für junge Leute immer schwieriger, einen Betrieb zu kaufen. Auch Menschen ohne bäuerlichen Hintergrund denken an die Übernahme eines Hofes. Der Wunsch nach einer sinnerfüllten Arbeit spielt dabei ebenso mit, wie die Möglichkeit, Leben und Arbeiten an einem Platz zu vereinen. Das naturnahe Leben, der Umgang mit Tieren und dem Boden, die kleinbäuerliche Struktur, die Sicherheit und Qualität von Lebensmitteln erfahren wieder mehr Wertschätzung. Der Erhalt der Biodiversität und das Erreichen von Klimazielen sind essenzielle Themen, zu denen auch kleine Betriebe wertvolle Beiträge leisten können.

 

Jedes Jahr bringt die Hofbörse rund zehn Hofsuchende und -übergebende zusammen.

Zeit nehmen. „Perspektive Landwirtschaft“ vernetzt Menschen in ganz Österreich und darüber hinaus. Auch Betriebe in Deutschland sind vertreten und auch eine Landwirtschaft in Griechenland wurde bereits vermittelt. Derzeit sind es 300 Steckbriefe von Suchenden und über 70 von Betrieben. Bei gegenseitigem Interesse sind viele Optionen möglich: von Pacht über Kauf bis zu Leib- und Teilrenten. „Wir empfehlen nach einer Kennenlernphase eine Probezeit von mindestens einem Jahr, um zu sehen, ob die Sache längerfristig funktionieren kann“, sagt Jungreithmeier. Die einen müssen loslassen können, die anderen sich in ein bestehendes System einfügen und Veränderungen mit dem nötigen Feingefühl vornehmen. Manchmal braucht es auch zwei oder drei Versuche, bis potenzielle neue LandwirtInnen ihren zukünftigen Hof gefunden haben. Manche nutzen für das Ausprobieren ihren Urlaub, andere kommen an den Wochenenden. 20 – 30 % gehen nach den ersten Monaten wieder getrennte Wege und einige stellen in der Probezeit fest, dass das Leben am Bauernhof doch nicht das Richtige für sie ist. Nach einem halben Jahr bis Jahr geglückter Probezeit ist es schon sehr wahrscheinlich, dass die Sache langfristig passt. 

Beim Namen nennen. Das Thema Hofnachfolge ist hierzulande oft ein Tabuthema, über das man nicht sprechen möchte oder kann. Noch immer wird es zu oft als Scheitern wahrgenommen, wenn man innerfamiliär keine Nachfolger findet und noch immer wird es zu oft als ererbtes Schicksal gesehen, einen Hof führen zu müssen. Um das zu ändern, braucht es mehr Vernetzung und Austausch zwischen LandwirtInnen auf der Suche nach einer Nachfolge und Menschen auf der Suche nach einem Einstieg in die Landwirtschaft. Sie ist ein Baustein auf dem Weg zu einer Gesellschaft, die Bäuerinnen und Bauern wieder für ihre Tätigkeiten achtet und Landwirtschaft als reale, attraktive Berufsoption zugänglich macht.

 

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1) Umfrage zur Hofnachfolge-Situation in Österreich von KeyQuest, 2019: www.keyquest.at

INFO: www.perspektive-landwirtschaft.at; Infobroschüren über (außerfamiliäre) Hofnachfolge: https://landjugend.at/programm/landwirtschaft-umwelt/hofuebergabe

Filmtipps: 

Holz Erde Fleisch: Dokumentarfilm von Sigmund Steiner, La Banda Film OG www.holzerdefleisch.com

„Ich, Bauer – Neues Leben am alten Hof“: ServusTV.com


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