Seit 25 Jahren ist der Nationalpark Thayatal eines der artenreichsten Schutzgebiete Mitteleuropas. Ein Höhepunkt im heurigen Jubiläumsjahr war die Eröffnung der neuen Aussichtswarte. Jetzt ist eine besonders gute Zeit, um hier eindrucksvolle Natur zu genießen und die Kunstwerke von Spinnen zu bestaunen.
Text: Elke Papouschek
Das oft stabile Hochdruckgebiet, das im sogenannten Altweibersommer für gleichmäßig sonnige, trockene Tage sorgt, intensiviert nicht nur die herbstliche Laubverfärbung, sondern erlaubt auch eine gute Fernsicht. Woher der Name Altweibersommer kommt, ist nicht genau nachzuweisen. Nach einer der Erklärungen leitet er sich von den Spinnfäden her, mit denen junge Spinnen im Herbst durch die Luft segeln. Diese Flugfäden erinnern uns an das graue Haar alter Frauen. Die Jungspinnen suchen so einen neuen Lebensraum, indem sie bei günstigem Wetter von einer erhöhten Stelle aus, einen langen Faden in die aufsteigende Warmluft spinnen, der sie schließlich davonträgt. Ihr Schicksal ist dabei ungewiss, denn nicht jeder Lebensraum bietet ihnen genügend Nahrung und andere gute Bedingungen für ihre Existenz.
Gewebte Kunstwerke. Auch wenn Spinnen nicht jedermanns Sache sind, ist ihr Wert für die Ökosysteme bedeutend: Sie zählen gemeinsam mit Vögeln, Laufkäfern und Schwebfliegen zu den natürlichen Regulatoren von Insekten und helfen mit, dass keine Art zur Plage wird. Außerdem sind Spinnen selbst eine wichtige Nahrung für Singvögel, Wespenarten und viele andere Tiere. Auf Beutefang gehen sie mit gewebten Meisterwerken, den hauchfeinen Netzen, die nun im Morgenlicht glitzern. Ob Haubennetze, Trichternetze, Radnetze oder Baldachinnetze: Die verschiedenen Konstruktionen verblüffen durch ihre Ästhetik ebenso wie durch ihren geringen Materialaufwand.
Dünner Faden mit großen Kräften. Der Spinnfaden – ein seidenähnlicher Eiweißstoff – entsteht in Drüsen am Hinterleibsende der Tiere und kann nach Bedarf elastisch oder starr, trocken oder klebrig, dünner oder dicker hergestellt werden. Obwohl er weniger als 0,01 mm stark ist, übertrifft seine Zugfestigkeit jene von Stahl. Wegen seiner Zartheit kann der Faden keiner Druck- und Biege-Beanspruchung ausgesetzt werden. Daher sind alle Spinnennetze Hängekonstruktionen, die an Halmen und Zweigen befestigt und ausgespannt werden.
Die Wildkatze ist seit 2007 im Nationalpark nachgewiesen.
Wildkatzenprojekt. Seit 2007 wird die ehemals ausgestorben oder verschollen geglaubte Wildkatze im Nationalpark Thayatal nachgewiesen, bisher fand man insgesamt 25 genetische und 23 Foto-Nachweise. Die Ausforschung erfolgte über Lockstöcke, mit denen Haarproben gesammelt und genetisch untersucht wurden. Weitere Hinweise lieferten Fotofallen. „Neueste genetische Auswertungen zeigen, dass eine Wildkatze aus dem Thayatal auch eng mit den Wildkatzen in der Wachau verwandt ist, es besteht sogar eine Geschwister- oder Eltern-Kind-Beziehung. Daraus lässt sich schließen, dass diese über Wanderkorridore von der Wachau ins Thayatal gelangt ist. Dieser Nachweis ist insofern eine kleine Sensation, weil er ein Beweis dafür ist, dass die Wanderkorridore intakt sind und auch genutzt werden. In einer neuen Pilotstudie wird nun erstmals die Lebensraumnutzung und das Wanderverhalten der Tiere genauer untersucht“, berichtet Nationalparkdirektor Christian Übl.
Überwachte Wanderrouten. Ein Telemetrie-Halsband liefert bei zwei Wildkatzen exakte Informationen über ihren Aufenthaltsort. Die Sender sind ein Jahr lang aktiv, das Halsband fällt mittels einer Sollbruchstelle nach Ablauf dieser Frist ab. In dieser Zeit sollen die Daten Aufschlüsse über den Bewegungsradius geben, nicht zuletzt auch darüber, ob die Tiere die Thaya überqueren, bislang fehlen nämlich die Nachweise aus dem benachbarten tschechischen Schutzgebiet Národní park Podyjí. Das Projekt wird durch das INTERREG CE Projekt Restore to Connect (ReCo) unterstützt.
Aus der Vogelperspektive. Von der neu eröffneten Aussichtswarte „Umlaufblick“ bietet sich ein weiter Blick über die berühmten Umlaufberge, die durch die Eintiefung der Thaya vor rund drei Millionen Jahren entstanden sind. Mehrere Bergrücken und Flussschlingen sind von hier aus gleichzeitig zu sehen. Die 16 Meter hohe, 28 Meter lange und bis zu 2,3 Meter breite Warte ist als Steg ausgeführt, der wie ein Baumwipfelpfad sanft durch die Baumkronen führt und das natürliche Gefälle nutzt, um schließlich die umgebenden Bäume zu überragen. Aufgrund naturschutzfachlicher Auflagen konnte der Bau ausschließlich zwischen September und Jänner stattfinden. Daher erfolgte die Umsetzung 2023 und 2024 in zwei Etappen. Die Holzkonstruktion aus ungefrästen Rotföhrenstämmen fügt sich harmonisch in die Landschaft ein. Die schmale Aussichtsplattform am Ende ermöglicht ein intensives und scheinbar schwebendes Naturerlebnis mit spektakulärem Tiefblick ins Tal.
Naturschutz hat Vorrang. Als Erfolgsgeschichte für die Natur und eine Dableibensvorsorge für die Region beschreibt LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf die ersten 25 Jahre des Nationalparks. „Die Natur wird erhalten, geschützt und weiterentwickelt, der sanfte Tourismus hat der Region einen nachhaltigen Aufschwung gebracht“, betont er dabei. Der Nationalpark ist nämlich nicht nur Schutzraum für seltene Arten, sondern auch ein beliebtes Ausflugsziel. Mittlerweile kommen bis zu 100.000 Personen pro Jahr. „Die Besucherinnen und Besucher verteilen sich gut. Man kann trotzdem einsam durch das Tal gehen und die Stimmung genießen“, sagt Direktor Christian Übl. Wichtig ist, dass die Besuchenden die Natur erleben, aber diese dabei geschützt bleibt.
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ELKE PAPOUSCHEK, Redaktion
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